Kulturanleitungen für den Kräuteranbau
Südtirol ist seit jeher eng mit Kräutern aller Art verbunden und die Kräuter wiederum sind ohne Heinrich Abraham nicht denkbar.
Seien es Wildkräuter, die von der Bevölkerung immer schon gesammelt und verwendet wurden, Heil- und Gewürzkräuter für den Anbau und die Verwendung in Küche und häuslicher Medizin oder Arzneipflanzen. Südtirol ist aufgrund seiner geographischen Lage südlich des Alpenbogens und dank seiner Berge mit unterschiedlichsten Höhenstufen und geologischen Voraussetzungen ideal für den Anbau von Kräutern aller Art. Oberhalb des Obst- und Weinbaus ist ein lohnender Anbau möglich – dies schafft für die Berglandwirtschaft eine Erwerbsquelle im Neben- und auch Haupterwerb, vermindert die Abwanderung der Bevölkerung, sorgt für die Pflege der Kulturlandschaft und fördert eine nachhaltige und ressourcenschonende Bewirtschaftung der Berge. Kräuter sind der Verknüpfungspunkt zwischen Landwirtschaft, Gastronomie und sanftem Tourismus – dies alles erkannte Heinrich Abraham schon sehr früh.
Seit frühester Kindheit beschäftigt sich Heinrich Abraham mit Kräutern. Mit den Erzählungen und Spaziergängen des Großvaters fing alles an. Später eignete er sich als Gärtnergeselle und –meister Wissen und Praxis zur Vermehrung und Jungpflanzenanzucht an, das er als Angestellter des Biologischen Landeslabors und des Versuchszentrums Laimburg ständig vermehrte und weiterentwickelte. Spätestens mit seiner Ausbildung zum „Erborista” brach sich die große Leidenschaft zu den Kräutern Bahn und die Berufung wurde zum Beruf. Parallel dazu entstand, auf seine Initiative hin, der professionelle Südtiroler Kräuteranbau, den Heinrich Abraham von allen Anfängen an mit Wissen, Weitblick sowie Rat und Tat aufbaute und begleitete. Anbauversuche und Versuchstätigkeit - zunächst in Zusammenarbeit mit der Provinz Trient (Villazzano und dem Istituto San Michele All’Adige) sowie am biologischen Landeslabor in Leifers – und später auf dem einzigen landeseigenen Südtiroler Hof – dem Gachhof bei Meran - im Bereich der Kräuter schlossen sich an. Auch nach der Pensionierung im Jahr 2004 benötigte man die Unterstützung von Heinrich Abraham bis am Versuchszentrum Laimburg die Versuchstätigkeit und der Anbau auf dem Gachhof in neue Hände übergeben werden konnte. So wirkte er als freier Mitarbeiter bis ins Jahr 2016 weiter.
Heinrich Abraham schaute aber auch über den „Tellerrand” und baute Kontakte mit benachbarten Regionen wie z.B. der Schweiz im Puschlav, in Österreich mit der Versuchsstation Wies in der Steiermark und in Deutschland mit Dr. Bomme von der Fachhochschule Weihenstephan (FH Weihenstephan) auf und tauschte Erfahrung und Wissen aus. Inzwischen ist auch eine Zusammenarbeit mit Frau Dr. Heuberg von der Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) dazugekommen. Die Daten aller dieser Forschungsstationen zum Kräuteranbau dienen – neben anderen Quellen - als Referenzwerte für die vorliegenden Veröffentlichungen.
Als Kräuterexperte trat Heinrich Abraham in verschiedenen Fernsehsendungen auf und ist nach wie vor sowohl als Fachreferent in deutsch- und italienisch-sprachigen Ausbildungen und Projekten, als auch als Rechtsexperte im Fachbereich gefragt. Mehrere Bücher in deutscher und italienischer Sprache zeugen von seinem enormen Wissen. Er ist Initiator und wichtigster Referent der „Kräuterausbildungskurse zu Anbau, Ernte und Vermarktung von Heil- und Gewürzpflanzen, sowie Wildkräutern”, die im Jahr 1999 in Zusammenarbeit zwischen dem Versuchszentrum und der Fachschule Laimburg entstanden und bis heute die einzige professionelle Ausbildung des deutsch- und mittlerweile auch italienischsprachigen Raumes in diesem Bereich bieten. Alle bestehenden Regelungen und Dekrete der Provinzen Bozen und Trient gehen auf seine unermüdliche Arbeit zurück. Nicht umsonst wurde er 2003 in Rom zum „Cavaliere All’Ordine Al Merito della Repubblica Italiana“ ernannt und gilt in Südtirol als „Kräuterpapst”.
Längst überfällig sind daher die vorliegenden Kulturanleitungen für den Südtiroler Kräuteranbau, in denen Heinrich Abraham sein gesamtes Wissen, seine Erfahrung, die Forschungsergebnisse und sein Herzblut zusammenfasst und einfließen lässt. In jahrelanger Arbeit wurde all dies zusammengetragen und einiges davon bereits in einfacherer Version veröffentlicht. Seit nunmehr 30 Jahren ist auch die Koautorin Ute Schwarz-Kössler im Bereich tätig – zunächst vom Versuchszentrum aus und nun an der Fachschule Laimburg als Koordinatorin und Referentin in der Kräuterausbildung. Seit dieser Zeit besteht die Zusammenarbeit zwischen dem „Kräuterpapst” und seiner „Bischöfin”. Und genau aus dieser Zusammenarbeit sind die nun vorliegenden aktualisierten und ausführlichen Kulturanleitungen entstanden. Sie sollen nun unter eigener Rubrik und Schritt für Schritt im „Laimburg-Journal” veröffentlicht werden. Mehr als 60 Pflanzen sind zusammengekommen – darunter auch viele Wildkräuter. Endlich gibt es für den kleinflächigen Südtiroler Kräuteranbau und die Ausbildungskurse verlässliche Daten zum Anbau! Aber auch Inhaltsstoffe, Wirkung, Mythologisches und Volkskundliches kommen nicht zu kurz – so spannt sich für jede Pflanze ein weiter Bogen von der Mythologie zur Wissenschaft, von der Geschichte zur Gegenwart!
Das Thema „Kräuter und Wildkräuter” ist unendlich und die vorliegenden Kulturanleitung nur eine Momentaufnahme. Für den kleinflächigen Anbau in Südtirol sollen in den nächsten Jahren in einer Gemeinschaftsarbeit zwischen den Partnern aus Praxis, Forschung und Ausbildung neue Daten zum Anbau erfasst und verarbeitet werden.
Die nun vorliegenden Kulturanleitungen legen die Basis dazu und werden auch in den Nachbarländern Beachtung finden. Sie würdigen so Heinrich Abrahams großes Lebenswerk.
Ute Schwarz-Kössler
September 2022