Neuigkeiten aus der Lagerung

Fruit storage novelties
Novità dalla frigoconservazione frutticola
Angelo Zanella1, Krzysztof Bec2, Fabrizio Costa3, Christian Huck2, Sabine Öttl1, Andreas Wenter1
1 Laimburg Research Centre, 39040 Auer/Ora, Italy
2 Universität Innsbruck, 6020 Innsbruck, Austria
3 Universität Trient, 38122 Trento, TN, Italy

Einleitung

Kurz vor Beginn der Ernte - und damit auch zum Auftakt der Lagerungssaison - fand am Freitag, den 5. August 2022 die Lagerungstagung am NOI Techpark in Bozen statt. Ziel der alljährlich stattfindenden Tagung ist es, Fachpersonen des Bereichs Obstlagerung und Obstqualität, aber auch der interessierten Öffentlichkeit, Einblick in laufende Versuche zu bieten, aktuelle Forschungsergebnisse der von Angelo Zanella geleiteten Arbeitsgruppe „Lagerung und Nacherntebiologie“ vorzustellen, aber auch über neue Entwicklungen des Sektors zu informieren.

Themenschwerpunkt war in diesem Jahr die Vorbeugung der „Gewöhnlichen Schalenbräune“ während der Lagerung am Apfel. Ein EUREGIO Forscher-Team (Abb. 1, in der zweiten Reihe des Referentenfotos) untersucht diese physiologische Lagerstörung an Äpfeln, weil diese beträchtliche Marktverluste an bestimmten Sorten nach der Lagerung verursachen könnte. Für das Trentino koordiniert Fabrizio Costa von der Fondazione Edmund Mach diese Bemühungen gemeinsam mit Christian Huck (für Tirol, Universität Innsbruck) und Angelo Zanella (für Südtirol, Versuchszentrum Laimburg). Auch ein weiteres Schadbild wurde diskutiert: Die pilzbedingten „Ramularia-Lentizellenflecken“ waren bisher in Südtirol weniger verbreitet, treten nun aber häufiger auf. Auf dem Programm der Tagung standen darüber hinaus die Auswirkung der Witterung auf die Fruchtqualität, sowie Möglichkeiten und derzeitige Grenzen der langfristigen Lagerung von Scilate/Envy® Äpfeln.

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Abb. 1: Die Referenten der Tagung 2022 // The speakers at the 2022 conference.

Entstehung und lagertechnische Vorbeugung gewöhnlicher Schalenbräune

Die Hauptaufgabe der Nachernte, so Prof. Fabrizio Costa von der Universität Trient, besteht darin, die Qualitätsmerkmale der Früchte vom Zeitpunkt ihrer Entstehung bis zur Ernte zu erhalten. Die Qualität der Früchte hängt von chemisch-physikalischen Veränderungen ab, die bei Früchten, die im Klimakterium reifen, wie z.B. Äpfeln, in hohem Maße von der Ethylen-Regulierung abhängen. Ethylen ist das wichtigste Hormon, das die mit der Reifung und Seneszenz (Alterung) der Frucht verbundenen Stoffwechselvorgänge durch eine Reihe biochemischer Prozesse steuert, bei denen Katabolismen, d.h. der Abbau von Molekülen, und Anabolismen, d.h. die Synthese neuer Moleküle, ablaufen. Nicht nur aus den oben genannten Gründen ist es notwendig, den optimalen Erntezeitpunkt für Äpfel zu bestimmen, wenn man sie mittel- bis langfristig lagern möchte.

Neben der Ethylen-Regulierung ist die Temperatur einer der wichtigsten Faktoren bei der Apfellagerung. Obwohl niedrige Temperaturen das wichtigste Schlüsselelement für die Lagerung sind, können sie unglücklicherweise die Entwicklung bestimmter physiologischer Lagerschäden hervorrufen, wie z.B. die gewöhnliche Schalenbräune (Abb. 2), die als Stoffwechselstörung aufgrund der Reaktion der Früchte bestimmter Sorten auf diese Temperaturen bekannt ist. Die gewöhnliche Schalenbräune äußert sich während und nach der Lagerung als oberflächliche Bräunung der Haut und scheint auf Oxidationsprozesse zurückzuführen zu sein, die gerade durch niedrige Temperaturen ausgelöst werden. Nähere Beschreibungen zu den wichtigsten Lagerschäden und deren Ursachen kann man auf der vom Versuchszentrum Laimburg mitentwickelten web-app www.frudistor.de finden (Abb. 3). Viele Forscher haben im Laufe der Jahre die Ursachen für diese ästhetischen Schäden untersucht. Lurie und Watkins haben 2012 in einer Übersichtsarbeit über die Ätiologie der Schalenbräune [1] bekräftigt, dass die Ursache der Bräunung mit der Oxidation von Alpha-Farnesen, einer flüchtigen Verbindung in der Apfelschale, zusammenhängt. Das Versuchszentrum Laimburg arbeitet schon seit mehreren Jahrzehnten an der Entwicklung verschiedener Vermeidungsstrategien der gewöhnlichen Schalenbräune, führte Angelo Zanella, Leiter der Arbeitsgruppe Lagerung und Nacherntebiologie, aus. Dadurch sei es gelungen den Schaden in den letzten Jahren immer besser in den Griff zu bekommen, es sind nämlich 34% der in Südtirol geernteten Äpfel anfällig für diese physiologische Störung. Derzeit werden im EUREGIO Projekt ScaldCold mehrere Methoden zur Kontrolle dieser Schalenbräune untersucht. Eine davon basiert auf der Anwendung von 1-Methylcyclopropen (1-MCP), einem bekannten und weit angewandten Molekül, das in der Lage ist, mit den Ethylenrezeptoren in den Früchten zu interferieren und damit mit dem Hormon selbst zu konkurrieren und so dessen Wirkung zu hemmen. Es sei daran erinnert, so Prof. Fabrizio Costa, dass die Synthese von Alpha-Farnesen durch die Expression eines Gens gesteuert wird, das durch Ethylen selbst aktiviert wird, so dass die Anwendung von 1-MCP durch Hemmung der Ethylensynthese indirekt die Bildung von gewöhnlicher Schalenbräune beeinflusst.
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Abb. 2: Gewöhnliche Schalenbräune bei Granny Smith // Superficial scald on Granny Smith.

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Abb. 3: Die Frudistor-app wurde bei der Interpoma-Messe dem Publikum vorgestellt. // The Frudistor app was presented to the public at the Interpoma fair.

Die intensive Forschungsaktivität der von Angelo Zanella geleiteten Arbeitsgruppe Lagerung und Nacherntebiologie am Versuchszentrum Laimburg mündete in der Mitgestaltung der Anwendungsprotokolle für die Nacherntebehandlung mit dem Reife-Antagonisten 1-MCP seit Beginn der Jahrtausendwende, bzw. zur Realisierung der Lagerungstechnologie DCA (Dynamisch Kontrollierte Atmosphäre) mittels Chlorophyll-Fluoreszenz (CF), welche als „Best-Practice-Technologien“ im Kampf gegen die Schalenbräune angesehen werden können. Insbesondere wurde zuletzt das Anhalten der Schutzwirkung verschiedener Lagerungstechnologien untersucht, da die weitere Schadensentwicklung laut dem derzeitigen Wissenstand Ethylen- und CA-abhängig ist. Hierbei haben sich vor allem niedrigste Sauerstoffgehalte in der Lageratmosphäre als effektive Vorbeugemaßnahme hervorgetan. Laut den von Angelo Zanella präsentierten Ergebnissen haben sich diese Technologien umso mehr bewährt, je extremeren Lager- und Shelf-Life-Bedingungen die Früchte ausgesetzt wurden. Diese Erkenntnis ist für die Praxis bei der Belieferung von entfernten Zielmärkten, wo extreme Bedingungen, sowohl während des Transportes als auch während des Shelf-Life vorherrschen können, von großer Bedeutung.

Untersuchung der Regulationsprozesse der gewöhnlichen Schalenbräune mit Hilfe der Systemgenetik

Um die genetischen und physiologischen Mechanismen, die der Regulierung der Schalenbräune zugrunde liegen, besser zu verstehen, wurden, im Rahmen des EUREGIO-Projekts ScaldCold mit Prof. Costa, zwei Hauptstudien durchgeführt. In der ersten Untersuchung wurde ein metabolischer und transkriptomischer Vergleich zwischen zwei Apfelsorten, Granny Smith und Ladina, durchgeführt, die sich durch ihr unterschiedliches Verhalten als Reaktion auf die Behandlung mit 1-MCP oder die Lagerung bei niedrigem Sauerstoffgehalt unterscheiden. In dieser Studie wurde ermittelt, wie jede Lagerungsstrategie in der Lage ist, spezifische Reaktionsmechanismen bei der Kontrolle der Schalenbräune zu aktivieren, und wie sich die beiden Sorten in ihren metabolischen und transkriptomischen Signaturmerkmalen unterscheiden. In der zweiten Phase des Projekts wurde eine systemgenetische Studie eingeleitet, die darauf abzielt, die Segregation der Schalenbräune innerhalb einer kontrollierten Kreuzungspopulation zu analysieren und die mit der Schalenbräune assoziierten QTLome zu identifizieren.

Prof. Fabrizio Costa erläuterte, wie das EUREGIO Scald-Cold-Projekt darauf abzielt, die genomisch-transkriptomischen Mechanismen zu verstehen, die durch die Kontrolle der Expression bestimmter Gene zur Entstehung von Schalenbräune führen. Im Rahmen des Projekts wurde gezeigt, dass die Akkumulation von Alpha-Farnesen nicht zur gleichen Zeit wie die Entwicklung der gewöhnlichen Schalenbräune einen Produktionshöhepunkt erreicht, was auf alternative Stoffwechselwege für die Regulierung dieser Physiopathie schließen lässt. Im Laufe des Projekts stellte sich heraus, dass es bei der gewöhnlichen Schalenbräune zu einer erheblichen Anhäufung von Chlorogensäure kommt, einem Polyphenol, das sich in der Vakuole anreichert und durch die Wirkung der Polyphenoloxidase (PPO) oxidiert werden kann, was zu einer Bräunung führt. 1-MCP kontrollierte wirksam die Expression dieses Gens, was unterstreicht und bestätigt, dass seine Expression auch mit dem Vorhandensein von Ethylen verbunden ist. Beim Arctic®-Apfel zum Beispiel, der sich gut für die frische Verarbeitung eignet, wird das Fruchtfleisch nicht braun, weil das PPO-Gen ausgeschaltet (Silencing) wurde.

Untersuchungen auf ganzheitlicher Ebene, bei denen alle Gene des Apfels analysiert wurden, zeigten außerdem, dass 1-MCP neben seiner Silencing-Wirkung auch eine Reihe von Genen aktivieren kann, deren Identität bisher unbekannt war. Bei einem Experiment mit Arabidopsis, bei dem ein Apfel-Gen, das für die Biosynthese von Sorbitol, einem Zucker, der für die Kälteresistenz der Frucht verantwortlich ist, eingefügt und aktiviert wurde, zeigte sich, dass die "veränderte" Pflanze eine größere Kälteresistenz entwickelte als die Kontrollpflanze.

95% der bisher durchgeführten Studien zur Schalenbräune haben sich fast ausschließlich auf die Sorte Granny Smith konzentriert. Dies kann die Erforschung dieses Phänomens einschränken, denn alle heute verfügbaren Informationen über die Schalenbräune beruhen auf Analysen und Studien, die an einem einzigen genetischen Hintergrund durchgeführt wurden. In einer Vergleichsstudie, die an der Sorte Ladina durchgeführt wurde, konnte festgestellt werden, dass die Strategien zur Eindämmung der Schalenbräune, die bei Granny Smith angewandt wurden, nicht zu denselben Ergebnissen führten. Während die Granny Smith Früchte gut definierte Reaktionen in Bezug auf die Polyphenol-Akkumulation und die PPO-Expression zeigten, insbesondere unter Berücksichtigung der Kontrolle durch 1-MCP, waren die Ladina Früchte viel weniger empfindlich gegenüber diesen Anpassungen. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass die genetische Komponente eine grundlegende Rolle bei der Regulierung dieser Pathophysiologien spielt und dass jede Sorte im Detail untersucht werden muss, um ihre Physiologie zu verstehen, damit dann die besten Strategien für ihre Erhaltung angepasst werden können.

Weitere systemgenetische Studien, die die Segregation der gewöhnlichen Schalenbräune innerhalb einer kontrollierten Kreuzungspopulation (anfällige x resistente Sorte) analysierten, ermöglichten die Identifizierung von Regionen auf dem Genom, die an der Regulierung der gewöhnlichen Schalenbräune beteiligt sind. Dies erlaubte die Definition neuer molekularer Marker für zukünftige Züchtungsprogramme, die auf die Selektion neuer Sorten abzielen, welche sich durch verbesserte Qualität und Lagerfähigkeit nach der Ernte auszeichnen.

Erkennung von „Gewöhnlicher Schalenbräune“: Computer Vision, Spektroskopie und Machine Learning

Prof. Christian Huck von der Universität Innsbruck hat in seinem Referat berichtet, wie sein Forscher-Team rund um Krzysztof Bec, im Rahmen des EUREGIO Projekts ScaldCold, an wirksamen Methoden arbeitet, die eine groß angelegte und zuverlässige "Früherkennung" von Schalenbräune ermöglichen, um den Endertrag der Früchte erheblich zu verbessern und die Lebensmittelverschwendung zu verringern. Dazu werden moderne Methoden der analytischen Chemie mit der Absicht kombiniert, ein Werkzeug zur Früherkennung von gewöhnlicher Schalenbräune bei Äpfeln bereitzustellen. Dieses wissenschaftliche Projekt kombiniert verschiedene Sensortechnologien, Versuchsbedingungen und Analysetechniken, einschließlich Computervision und Spektroskopie in Kombination mit maschinellen Lernmethoden.

Es geht vor allem um nicht-destruktive Technologien, durch welche die Schalenbräune Anfälligkeit der gelagerten Äpfel möglichst frühzeitig vorhergesagt werden sollte. In diesem Zuge wird primär auf die nicht-destruktive NIR-Spektrometrie gesetzt. Vorab wurden im Rahmen der Forschungstätigkeit verschiedene Sensoren auf Herz und Nieren geprüft, um herausfiltern zu können, welche sich überhaupt für die Schalenbräune-Vorhersage am Apfel eignen würden. Einige Etappenerfolge konnten bereits erzielt werden, führte Prof. Huck aus, es ist nämlich gelungen mittels NIRS-Technologie schadhafte von gesunden Früchten zu unterscheiden, auch das Alter der Früchte, sozusagen die Lagerdauer, konnte vorhergesagt werden. Zudem ist es durch Smartphone-basierter Computervision gelungen die gewöhnliche Schalenbräune zu erkennen. Erste Vorhersagemodelle für die Schalenbräune-Entwicklung sind laut Prof. Huck auch bereits in der Pipeline. Ziel ist es nun zu versuchen, durch eine Verbesserung der Modelle, den Zeitpunkt der Vorhersage so frühzeitig wie möglich setzen zu können. Somit könnte der Praxis ein effizientes Werkzeug in die Hand gegeben werden, um eine Früherkennung der Schalenbräune-Entwicklung während der Lagerung gewährleisten zu können. Die Vorteile dieser innovativen Analysemethode liegen auf der Hand, sie ist nämlich kosteneffizient und schnell und zudem wird aufgrund ihres nicht-invasiven Charakters kein Einfluss auf die gelagerten Früchte genommen.

Ramularia-Lentizellenflecken: eine neue Herausforderung für Wissenschaft und Praxis

Sabine Öttl, Leiterin der Arbeitsgruppe Phytopathologie am Versuchszentrum Laimburg, ging in ihrem Referat auf die „Ramularia-Problematik“ ein: diese komplexe Thematik, bisher auch als „Klecksartige Lentizellenfäulnis“ bekannt, hat in den letzten Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen und stellt die Südtiroler Obstwirtschaft, in erster Linie die Genossenschaften, vor immer größere Herausforderungen. Im Jahr 2011 wurde im Piemont erstmals die Pilzgattung Ramularia auf Äpfeln aus der Kühllagerung festgestellt; 2012 erfolgte der erste Nachweis auch in Südtirol. Der Pilz Ramularia ist ein Pflanzenpathogen, dessen verschiedene Arten bei den unterschiedlichsten Kulturpflanzen Schäden verursachen kann, so führt z.B. die Art Ramularia collo-cygni bei Gerste zu einer gefürchteten Erkrankung. Beim Apfel äußert sich das Schadbild durch äußerst typische klecksartige, rötlich-braune bis schwarze Flecken, die einen gezackten und unregelmäßigen Rand aufweisen (Abb. 4). Bei einer fortgeschrittenen Symptomausprägung von Ramularia, beispielsweise durch eine Shelf Life-Nachlagerung kann es zu einer Verwechslung mit Gloeosporiosen kommen und sich verstärkt Fäulnis entwickeln. Die primär betroffene Sorte ist in Südtirol v.a. Golden Delicious, vereinzelt wurden aber auch symptomatische Früchte der Sorten Braeburn, Gala und Red Delicious gemeldet.

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Abb. 4: Ramularia bei der Sorte Golden Delicious // Ramularia on the Golden Delicious variety.

Gegenwärtig führt die Arbeitsgruppe Phytopathologie eine genetische Charakterisierung der verschiedenen Ramularia-Arten durch, welche von symptomatischen Äpfeln aus den verschiedenen Anbauzonen der Provinz stammen, informierte Sabine Öttl. Zu diesem Zweck werden typische Fruchtflecken auf Nährmedien ausgelegt und inkubiert, um den Pilz zu isolieren. Nach einer morphologischen Beschreibung der Pilzkolonien wird die DNA aus diesen Isolaten extrahiert, und spezifische Genbereiche werden untersucht. Durch einen Abgleich mit internationalen Datenbanken ist eine genaue Zuordnung der Art möglich, sodass weiterführende Untersuchungen durchgeführt werden können.

Die besondere Problematik dieser Pilzerkrankung ist, dass sie sich erst nach längerer Lagerdauer manifestiert und die Infektion im Feld nicht visuell sichtbar ist. Da Schäden in Zusammenhang mit Ramularia sp. bei Apfel bislang nur aus wenigen Anbaugebieten berichtet wurden, gibt es noch keine genauen Informationen zu Infektionszeitpunkt im Feld und entsprechenden begünstigenden Faktoren.

In den vergangenen Jahren berichteten die Obstgenossenschaften von einem vermehrten Auftreten dieses Schadbildes, daher wird nun verstärkt an der Erforschung der Ramularia-Lentizellenflecken gearbeitet. Bereits 2014 wurden im Rahmen eines ersten Fungizid-Screenings 10 Wirkstoffe getestet: Früchte der Sorte Golden Delicious aus Anlagen, welche im Jahr zuvor viel Ramularia aufwiesen, aber bei Ernte keine Symptome zeigten, wurden für 10 Sekunden in Fungizidlösung getaucht und anschließend bei Raumtemperatur getrocknet. Die Auswertung erfolgte nach 341 Tagen Lagerung in kontrollierter (ULO) Atmosphäre. Mit keiner der im Fungizid-Screening getesteten Varianten konnten deutliche Verbesserungen im Vergleich zur Kontrolle festgestellt werden, alle Varianten wiesen die typischen Symptome auf [2].
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  • [2] Öttl S., Marschall K. (2021). Ramularia – Klecksartige Lentizellenflecken. Neuartiges Schadbild am Apfel. Obstbau Weinbau - Fachmagazin des Südtiroler Beratungsringes 58 (2), 18-20.

Am Ende des Referats betonte Sabine Öttl nochmals, wie wichtig tiefergehende Analysen zur Erforschung der Ramularia-Lentizellenflecken sind, um Strategien zur Vorbeugung und Bekämpfung dieser Pilzerkrankung zu entwickeln. Innerhalb der Rahmenvereinbarung "Invasive Arten im Obstbau und Schwerpunktkrankheiten (RaPfl2, 2021-2024)" zwischen dem Südtiroler Apfelkonsortium (SK) und dem Versuchszentrum Laimburg wird daher die bereits begonnene, hervorragende Zusammenarbeit mit den Erzeugerorganisationen und Obstgenossenschaften zum Schadbild der "Klecksartigen Lentizellenflecken" fortgesetzt. Außerdem beginnt im November 2022 ein dreijähriges Forschungsdoktorat in Zusammenarbeit mit der Universität Turin, im Rahmen dessen unter anderem an einer spezifischen Nachweismethode für Ramularia gearbeitet werden soll. Aber auch molekularbiologische Methoden zur Identifizierung von Mikroorganismen werden angewandt, um Mikroorganismen zu identifizieren, welche Potential für die Bekämpfung dieser Pilzerkrankung aufweisen.

Möglichkeiten und gegenwärtige Grenzen der langfristigen Lagerung von Scilate/Envy®

Scilate/Envy® gehört zu den vielversprechendsten neuen Apfelsorten in Südtirol, ist aber sehr empfindlich gegenüber physiologischen Lagerstörungen, wie bereits durch mehrjährige Beobachtungen am Versuchszentrum Laimburg belegt. So können sich nach einigen Monaten Lagerung im Inneren der Frucht deutliche Verbräunungen bilden (Abb. 5). Das Versuchszentrum Laimburg arbeitet daran, das komplexe Thema im Austausch mit Experten aus dem Herkunftsland Neuseeland (NZ) und anderen Regionen der Welt in den Griff zu kriegen. Angelo Zanella, Leiter der Arbeitsgruppe Lagerung und Nacherntebiologie, berichtete wie untersucht wird, welche Kombination aus Herkunftsqualität, Reifezustand und schonenden Lagerungsfaktoren sich am besten für die Sorte Scilate /Envy® eignet. Damit soll dem Konsumenten die unerfreuliche Überraschung nach dem Kauf erspart bleiben.

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Abb. 5: Schwere Fleischbräune bei der Sorte Scilate/Envy // Severe flesh browning in the Scilate/Envy variety.

Bereits seit dem Jahr 2010 wurden mit dieser Sorte - damals noch in Versuchsanlagen - erste Lagerversuche durchgeführt, um den optimalen Erntetermin und die besten Lagerungsbedingungen zu erarbeiten. Dabei zeigte sich sehr bald, dass bei längerer Lagerung einige äußere Schäden, aber vor allem auch innere Verbräunungen des Kernhauses und/oder des Fruchtfleisches auftreten könnten. Bis heute wurden daher ca. 70 verschiedene Lagerungs-Varianten, also Kombinationen einer Ernte-Stichprobe mit unterschiedlichen Lagerungsfaktoren, untersucht. Es wurde darauf Wert gelegt, praxisorientiert die verschiedenen Höhenlagen und Klimazonen, in welchen diese Sorte angebaut wird, bei den Versuchen zu berücksichtigen. Hauptsächlich wurden daher Herkünfte in mittleren Höhenlagen um 500-650 m ü. NN ausgesucht, doch durften Stichproben aus ausgesprochenen Berggebieten (für den Obstbau) wie Signat (850 m ü. NN) und Natz (770 m ü. NN) nicht fehlen.

Nach längerer Lagerung wurden äußere Lagerschäden, teilweise in hohem Ausmaß festgestellt. Insbesondere wurden häufig Lentizellen-Zusammenbrüche und Fäulnisse, sowie aufgesprungene Früchte bei den Auswertungen erhoben. Bei diesen äußeren Schäden gab es einen klaren Zusammenhang mit dem Fortschreiten des Erntetermins und eine noch stärkere Zunahme mit der Dauer der Lagerung. Durch eine Lagerung in ULO-CA oder die Kombination mit einer 1-MCP Behandlung konnte diesen Ausfällen nur wenig oder gar nicht vorgebeugt werden. Nur eine Senkung der Luftfeuchtigkeit konnte den Lentizellen-Zusammenbrüchen teilweise vorbeugen, führte gleichzeitig allerdings zu Schrumpfungen der Früchte. Auch im Kühllager ohne kontrollierte Atmosphäre, wurde die hohe Anfälligkeit dieser Sorte für Schrumpfungen beobachtet.

Der Schwerpunkt der Versuchstätigkeit lag jedoch in der Vermeidung der inneren Lagerschäden, die sich bei der Sorte Scilate/Envy® in Südtirol meist als physiologische Verbräunungen, sei es des Kernhauses als auch diffuser Verbräunungen des Fruchtfleisches, äußern. Seltener trat spezifische Fleischbräune, ähnlich dem bekannten „Braeburn Browning Disorder“ Komplex (BBD), auf (Abb. 6). Allein und in Kombination mit BBD konnten auch häufig Kavernen, also Hohlräume im Fruchtfleisch, verursacht durch abgestorbene und eingetrocknete Bereiche, festgestellt werden (Abb. 7). Auch bei diesen Schäden konnte sehr klar ein Zusammenhang mit der Lagerdauer der Stichproben festgestellt werden: Während bei einer Lagerdauer von 4 Monaten so gut wie keine Schäden festgestellt wurden, nahmen diese ab 6 Monaten Lagerung deutlich zu, um nach 8 Monaten teils sehr hohe Ausmaße zu erreichen. Der physiologische Reifezustand hatte hingegen einen geringeren Einfluss als bei den äußeren Schäden. Die inneren Verbräunungen nahmen im Allgemeinen bei später Ernte zwar zu, konnten aber auch durch eine frühzeitige Ernte in den meisten Jahrgängen nur leicht gehemmt werden.

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Abb. 6: Kavernen bei der Sorte Scilate/Envy // Cavities in the Scilate/Envy variety.

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Abb. 7: Fleischbräune vom „BBD“-Typ bei der Sorte Scilate/Envy // Flesh browning of the "BBD" type in the Scilate/Envy variety.

Auf Grund dieser genetisch bedingten Anfälligkeit gegenüber den physiologischen inneren Verbräunungen, wurden die Auswirkungen zahlreicher Lagerungstechnologien getestet. Ziel war es dabei, die Symptome zu hemmen, um eine erfolgreiche, möglichst lange Lagerung zu ermöglichen.

Nicht empfehlenswert, da sie sehr häufig schwere innere Verbräunungen verursachten, sind alle Kombinationen von 1-MCP-Behandlungen mit kontrollierter Atmosphäre (CA-ULO). Auch eine Verzögerung der 1-MCP-Behandlung oder die verzögerte Einstellung der CA-ULO-Bedingungen führten stets zu großen Schäden.

Um Scilate/Envy® zu lagern haben sich über die Jahre im Wesentlichen drei Möglichkeiten herauskristallisiert:

Mit der Kombination einer einfachen Kühllagerung und 1-MCP-Behandlung konnte Scilate/Envy® bis 4, maximal 6 Monate gut gelagert werden. Allerdings ließ die innere Qualität bei dieser Variante gegen Ende der Lagerung manchmal zu wünschen übrig, weshalb sich diese Methode vor allem für kürzere Lagerungen empfiehlt.

Als Alternative für eine längere Lagerung bis zu 6 Monaten bietet sich eine vorsichtige CA-ULO Bedingung, mit stufiger Abkühlung zu Beginn der Lagerung an.

Ansprechende Ergebnisse wurden auch mit einer sortenspezifischen DCA-CF-Lagerung (Dynamisch Kontrollierte Atmosphäre mithilfe von Fluoreszenz-Sensoren) erzielt. Allerdings wurden manchmal, eventuell abhängig von der Höhenlage, Kavernen beobachtet.

Diese drei zuletzt aufgezählten Methoden führten nur zu leichten, bzw. weniger häufigen, Verbräunungen in den Früchten und sind daher nach derzeitigem Kenntnisstand am besten für die Lagerung von Scilate/Envy® geeignet. Auch mit diesen vergleichsweise effizienten Methoden ist eine verlängerte Lagerung bei dieser Sorte allerdings mit dem Risiko von Ausfällen durch äußere und vor allem innere Schäden verbunden.

Zu einer erfolgreichen Lagerung kann die Berücksichtigung der Herkünfte und Vorerntefaktoren zusätzlich beitragen. Insbesondere hat sich herausgestellt, dass bestimmte Herkünfte anfälliger sind als andere, wobei die Höhenlage eine Rolle zu spielen scheint, da die Früchte aus den Berglagen bei den Versuchen meist anfälliger gegenüber inneren Verbräunungen waren.

Große Unterschiede bei der Anfälligkeit wurden auch zwischen den Jahrgängen festgestellt. Leider ist es bisher nicht gelungen, diese z.B. durch Temperatursummen vorherzusagen.

Mehrfach konnte hingegen durch gezielte Versuche bewiesen werden, dass die Behangdichte einen großen Einfluss auf die inneren Verbräunungen hat. Früchte von sehr schütter behangenen Bäumen zeigten dabei eine weitaus höhere Anfälligkeit als solche von gleichmäßig behangenen. Bei einem sehr hohen Behang der Bäume waren die Früchte hingegen weitgehend gesund. Hier muss allerdings angemerkt werden, dass die Vorgaben zur äußeren Qualität bei dieser Sorte im Premium-Segment einen solchen sehr hohen Behang nicht zulassen.

Abschließend fasste Angelo Zanella die Anfälligkeit von Scilate/Envy® gegenüber Lagerschäden zum jetzigen Kenntnisstand wie folgt zusammen:

  • steigende Anfälligkeit bei zunehmendem Reifegrad, besonders gegenüber äußeren Schäden
  • deutlich steigende Anfälligkeit mit der Lagerdauer
  • bis zu 4 Monate im Kühllager lagerfähig
  • mittels 1-MCP-Behandlung bis zu 6 Monate im Kühllager lagerfähig
  • mit einer vorsichtigen CA-ULO bzw. DCA-CF Lagerung bis maximal 6 Monate lagerfähig
  • die Fleischbräune wird durch ULO in Kombination mit 1-MCP gefördert
  • Förderung von Kernhausbräune (ohne stufige Kühlung?)
  • die spezifische DCA-CF wirkte meist gut, konnte aber auch Kavernen verursachen.

Bei einer Lagerdauer von über 6 Monaten gibt es eine erhöhte Anfälligkeit gegenüber äußeren Schäden, und inneren Verbräunungen.

Die Witterung 2022 und mögliche Auswirkungen auf die Fruchtqualität

Andreas Wenter von der Arbeitsgruppe „Boden, Düngung und Bewässerung“ hat den Witterungsverlauf der laufenden Vegetationsperiode nachgezeichnet und die klimatische Entwicklung im Verhältnis zum langjährigen Durchschnitt dargestellt. Die Wetterdaten der Wetterstation Laimburg bieten dafür mit ihren Aufzeichnungen bis ins Jahr 1965 die Grundlage. Darüber hinaus wurde eine Verbindung zwischen den Wetterdaten und den Voraussetzungen für die Fruchtentwicklung hergestellt.

Der Winter 2021/2022 fiel durchwegs niederschlagsarm aus. Die spärlichen Niederschläge innerhalb dieser bereits typischerweise niederschlagsarmen Zeit wurden im Jahr 2022 noch weiter unterschritten. Gepaart mit dem milden Temperaturverlauf im Januar und Februar, präsentierte sich der Jahresstart durchaus schneearm. Besonders im März fiel fast kein Niederschlag.

Die Abwehr der Spätfröste stellte die Obstbauern im Frühjahr 2022 vor keine größere Herausforderung, da es nur wenige starke Kälteeinbrüche zu Vegetationsbeginn gab, welche eine Frostbewässerung nötig machten. Die Vegetationsentwicklung schritt zügig voran, die Vollblüte wurde bei der Referenzsorte Golden Delicious zeitgleich wie im Vorjahr am 15. April erreicht. Dies entspricht einem Vorsprung von 2 Tagen gegenüber dem langjährigen Mittel.

Nach einem durchschnittlichen Temperaturverlauf im März und April gab es ab der 2. Maidekade einen regelrechten Temperatursprung durch die sehr frühe, erste Hitzewelle im Jahr 2022. Im Mai wurden 8 Tropentage verzeichnet, eine so hohe Anzahl an Tagen mit Höchstwerten über 30 °C wurde in diesem Zeitraum noch nie erreicht. Auch die erste Tropennacht (Nacht mit einer Mindesttemperatur über 20 °C) wurde bereits am 19. Mai gemessen. Dies ist der früheste Zeitpunkt seit Aufzeichnungsbeginn an der Wetterstation Laimburg. Durch das feuchtwarme Wetter bildeten sich gute Wuchsbedingungen für die Äpfel.

Hochsommerliche Temperaturverhältnisse folgten im Juni und Juli. Einige Gewitter fielen heftiger aus und führten lokal zu Schäden durch Hagelschlag. Insgesamt geht der Sommer 2022 als einer der wärmsten und trockensten in die Wettergeschichte ein und schließt damit beinahe an den Rekordsommer des Jahres 2003 an. Eindrucksvolle 70 Tropentage (davon 13 sogar mit einer Höchsttemperatur über 35 °C) und eine Durchschnittstemperatur von 23,9 °C (2,4 Grad über dem langjährigen Mittelwert) zeugen von den außergewöhnlichen Verhältnissen. Mit Anfang Juli machten sich die Auswirkungen der Trockenheit, besonders in exponierten Hang- und Hügellagen deutlich bemerkbar (Abb. 8). Nach den anhaltend hohen Temperaturen gab es Sorge zur Lagerfähigkeit der frühreifen Sorten. Goldenes Herbstwetter setzte sich Anfang Oktober durch. Die Niederschlagssumme im Herbst lag an der Wetterstation Laimburg wie bereits im Sommer unter dem Durchschnitt, vor allem in den Monaten Oktober und November fiel nur die Hälfte an Niederschlag im Vergleich zum langjährigen Durchschnitt. Der September lag im Mittel. Die Temperaturen waren durchwegs überdurchschnittlich, im September und November nur geringfügig, im Oktober hingegen deutlich darüber.

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Abb. 8: Trockenschäden nach Hitzesommer 2022 // Drought damage after torrid summer 2022.

Danksagung

Für die Zusammenarbeit am Verfassen des vorliegenden Berichtes sei folgenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bestens gedankt: Ines Ebner, Alessia Panarese, Oswald Rossi, Stefan Stürz, Anna Benedetti.

Literatur